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Gesammeltes Wissen gegen Herbst und Winter Depressionen

Depressionen sind wie Schatten in unserem Verstand und unserer Gefühlswelt. Ein alter, stets ungeliebter und ungewollter Freund, der einen immer wieder besucht. Depressionen und Traumata sind nicht wie eine Erkältung. Man kann sie nicht mit ein paar Tabletten und ein bisschen schwitzen im Bett wieder kurieren. Es sind Erfahrungen, Gedanken und Gefühle, die sich so tief in den Windungen unseres Gehirns eingeprägt haben, dass sie ein fester Bestandteil unseres Selbst geworden sind.

Wer bist du ohne dein Trauma? Ohne deine Depression? Für viele von uns ist das schwer vorstellbar, weil es unser ganzes Leben durchdringt. Weil es uns meist schon seit sehr vielen Jahren begleitet. Sich selbst einzugestehen, dass dies Teil der eigenen Persönlichkeit ist, ist ein großer Schritt zur Selbstakzeptanz.

Nein, wir sind nicht so leistungsfähig wie der gesunde Durchschnitt. Ja, wir werden getriggert und verbringen dann teilweise Wochen damit uns aus dem mentalen Sumpf, in den wir gefallen sind, wieder hinaus zu kämpfen.

Und nein, wir müssen uns nicht dafür schämen. Wir dürfen das selbstverletzende Vergleichen mit dem Außen einstellen. Wir müssen uns dafür nicht rechtfertigen, stetig versuchen anderen zu erklären wie es in uns aussieht.

Wir wollen verstanden werden, ja, so sehr. Doch in Wirklichkeit wollen wir uns selbst verstehen. Was ist das da in mir, dass mich immer wieder in die Dunkelheit hinab zieht? Woher kommen die immer wieder gleichen Bilder und Erinnerungen in meinem Kopf? Warum bin ich gegen die negativen Gefühle so machtlos und klein und nicht imstande sie mit meinem Willen zu verändern?

Genau an der Stelle möchte ich euch helfen. Ich möchte euren Blick weg lenken von dem Stigma, dass das Wort Krankheit, bei den meisten von euch auslöst. Kaputt, defekt, funktionsuntüchtig....nicht reparierbar. Ich möchte, dass ihr eure Depression als Seinszustand betrachtet. Eine Konfiguration, die euer Denken und Fühlen und euer Körper annehmen kann. Ja, kann, so wie unendlich viele andere. An manchen Tagen seid ihr die Person, der es gut geht. An anderen die depressive Person, die ihr so gut kennt. Sich darüber bewusst zu werden, dass es diese Wechsel im eigenen Inneren gibt finde ich sehr wichtig. Diese Beobachtung an sich selbst nimmt einen den Gedanken, dass die Depression für das restliche Leben anhalten wird. Sie ist nicht statisch, nicht ewig.

Daraus erwächst die Frage: „Wenn es nichts starres ist, was verändert es dann?“

Darauf gibt es viele Antworten und Betrachtungsperspektiven und ich werde versuchen hier all für euch aufzulisten. Sicherlich werden später noch Nachträge folgen.


Betrachtet man eine Depression als Arzt oder Wissenschaftler, dann stellt man in der Regel einen Mangel oder ein Ungleichgewicht, gewisser Neurotransmitter und Hormonen, im Gehirn fest. Serotonin, Dopamin, Adrenalin, Noradrenalin, Wachstumshormone, um nur ein paar zu nennen. Immer herrscht ein akuter Mangel oder extremer Überschuss. Im Fall der Depression, ein Mangel an Serotonin und manchmal Dopamin. Dort setzen auch unsere Psychopharmaka an. Leider neigt der menschliche Körper oft dazu, wenn er die Dinge von Außen bekommt, die eigene Produktion herunter zu fahren. Auch zeigen die neusten Hirnforschungen, dass jedes Gehirn einzigartig ist, von aktuellen Gebieten wie Neuronormal und Neurodivers ganz abgesehen. Der Mensch hat sogar mindestens zwei Serotonin Rezeptoren, die sonst kein anderes Säugetier besitzt. Die Funktion bisher noch nicht gänzlich geklärt. Ich will nicht sagen, dass Psychopharmaka völliger Schwachsinn sind, mir geht es einfach mehr um die, für die das keine Lösung darstellt. Es freut mich für jeden, für den dieser Weg funktioniert hat.

Doch woher kommt dieser Mangel an Glückshormonen eigentlich? Warum scheint das Gehirn plötzlich nicht mehr imstande zu sein, diese selbst zu produzieren? Oder noch viel besser gefragt: Wie kann ich diesen Motor wieder selbst starten? Perspektivwechsel – vom Problem zur Lösung.

Also was braucht so ein Gehirn um glücklich zu sein? Stimulus. Ein Gehirn muss erregt werden, sonst beginnen die Nerven abzusterben. Also ist es wichtig regelmäßig neue Erfahrungen zu machen, etwas Neues zu lernen. Ich weiß, steckt man gerade mitten in einem depressiven Schub, dann klingt das ganz nett, aber der eigene Antriebsmangel belässt es meist bei netten Gedanken dazu. Deswegen rate ich euch, dass ihr euch eine Person sucht, die ein Auge auf euch wirft. Viel zu oft bekommen wir es nicht mit, wie wir in die Depression rutschen. Erst wenn wir mitten drin sind, wird sie uns bewusst. Gebt dieser Person die volle Erlaubnis euch ins Gesicht zu sagen, wenn ihr wieder abrutscht, euch zurück zieht, weniger redet. Das kann am Anfang schmerzen, doch es hilft, die eigenen Anzeichen für sich zu erkennen und einzugreifen, bevor die ganze Lebensenergie aus einem raus geflossen ist.

So ein Gehirn braucht aber auch Pausen um sich zu erholen, neue Verbindungen zu knüpfen und das Erlebte zu verarbeiten. Leider ist der Schlaf in der Depression oft auch, mehr oder weniger stark, gestört. Mal könnte man den ganzen Tag schlafen, dann bekommt man nächtelang kein Auge zu. Dafür haben sich für mich einige Dinge bewährt.

Zuerst ist es gut zu wissen wie der Stoffwechsel dazu im Gehirn aussieht. Ob unser körpereigenes Schlafhormon Melatonin oder Serotonin, beide werden aus der gleichen Aminosäure gebildet. L-Tryptophan. Das könnt ihr euch in der Drogerie oder im Internet als Nahrungsergänzungsmittel besorgen. Ich empfehle es besonders für die, bei denen die Lust zu essen mit der Depression abnimmt. So ist sichergestellt, dass dem Gehirn genügend Bausteine zum glücklich sein zur Verfügung stehen. Auch Vitamin C, Magnesium, Calcium, ACE Brausetabletten können helfen die Symptome eurer Depression zu lindern. Probiert ruhig ein wenig herum und fühlt euch hinein, woran es eurem Körper wirklich mangelt.

Interessant ist auch, dass das Serotonin, dass man über den Tag hinweg ausgeschüttet hat, zu Melatonin abgebaut wird. Am Abend und mit abnehmenden Licht, steigt die Konzentration und gibt uns das wohlig warme Gefühl von „ab ins Bett“. In der Nacht wirkt das Melatonin dann als starkes Neuroprotektiva und wird schlussendlich wieder zu Serotonin aufgebaut, um am nächsten Morgen wieder zur Verfügung zu stehen. So erklärt sich auch wieso Depressionen und Schlafstörungen so oft Hand in Hand gehen. Doch auch da habt ihr die Möglichkeit, harmonierend einzugreifen. Mittlerweile kann man Melatonin auch als Nahrungsergänzungsmittel erstehen. Es ist hoch potent für das Gehirn und bisher konnte keine Studie Nebenwirkungen feststellen, außer lebhaftere Träume, was ja auf ein gut verarbeitendes Gehirn schließen lässt.

Vor allem jetzt, wo es wieder dunkel und kalt wird, empfehle ich zusätzlich Vitamin D3 und B12 zu sich zu nehmen. Auch bekommen wir Europäer nicht ausreichend Sonnenlicht um glücklich zu sein und einem geschwächten Gemüt setzt das umso mehr zu.

Ich persönlich nehme zusätzlich noch zwei Tinkturen aus Lions Mane und Reishi. Beide sollen dem Gehirn beim heilen und wachsen helfen. Ich konnte für mich persönlich positive Effekte auf Aufmerksamkeit und Klarheit der Gedanken feststellen.


Ok, wir haben uns jetzt also einen Coach an die Seite genommen und haben ab jetzt unseren Stoffwechsel im Gehirn mit im Auge. Das war ja nur die funktionelle Ebene. Unser Gehirn und unsere Gedanken existieren ja nicht für sich allein. Da hängt ja immer noch unser fühlender Körper dran. Unser Unterbewusstsein. Da wo unser Trauma, der Grund für unsere Depression, gespeichert ist. Während der Depression bewegen sich unsere Gedanken und Gefühle meist in Kreisen. Negative Gedanken verstärken negative Gefühle und vice versa. Es ist wie ein Programm, dass sich aufgehangen hat, sich nicht mehr schließen lässt und nun die restliche Arbeitsoberfläche unbrauchbar macht. Wir alle wissen, wie wenig effektiv es ist dagegen anzudenken, deswegen müssen wir am anderen Ende der Schleife ansetzen. Am Körper, am Fühlen, am Atem.

Für mich hat sich dabei die Wim Hof Methode bewährt. Beziehungsweise habe ich mittlerweile meine eigene Kälte – und Atemtechnik entwickelt, die ich euch in Kürze vorstellen werde.

Es ist vor allem wichtig, sich ein Mindset zu zulegen, immer wieder ins kalte Wasser zu springen, ins Unbekannte. Nur wo wir noch gar keine Erfahrungen gemacht haben, da kann unser Gehirn auch nicht darüber nachdenken. Das ist die Tür aus den alten Gedankenmustern. Den immer gleichen depressiven Gedanken. Stellt euch vor, ihr gebt eurem Körper und Nervensystem regelmäßig liebevolle Stromstöße in Form von emotional geladenen neuen Erfahrungen. Neue Erfahrungen, kurzzeitige Stressspitzen, emotionale Höhenflüge – das sind heilsame Impulse, die kein Stoff der Welt für das Gehirn ersetzen könnte. Ich sage nicht, dass das leicht ist, nein. Es ist ein Lifestyle, den man sich zulegt. Ein Bewusstsein dafür, dass man letztlich immer für die vorangegangene Angst und das Unbehagen belohnt wird, gegründet darauf, dass man diese Erfahrung für sich wiederholt gemacht hat.

Du kannst dir dies durchlesen, zustimmend nicken, doch niemand wird jemals kommen um die Schritte für dich zu gehen. Doch du bist nicht allein und gehst den Weg nicht alleine, das darf dir immer bewusst sein. Wir können uns gegenseitig unterstützen, voneinander lernen und uns akzeptieren. Akzeptieren, dass das ein Teil von uns ist, den wir kennenlernen dürfen.


An der Stelle wäre für mich eigentlich Schluss gewesen, hätte meine Verlobte nicht den Einwand gehabt „Ja, aber wie kommt man wieder aus dem Loch, wenn man erst mal drin steckt?“

Weil Prävention und das Verständnis über die eigene innere Mechanik für uns alle eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzt. Klar, dein Gehirn kann etwas anders verdrahtet sein als meins. Vielleicht sind deine Rezeptoren etwas anders geformt, dein körpereigenes Serotonin deswegen vielleicht auch, aber der grundlegende Aufbau ist gleich, den Genen sei dank.

Doch wie dein Gehirn und dein Körper eingehende Informationen verarbeitet, filtert und interpretiert und deinem Bewusstsein übermittelt – das ist etwas völlig individuelles.

Ja, man kann tatsächlich sagen, dass wir alle in unserer eigenen Blase leben. Unsere kleine Bubble in der wir die Welt so wahrnehmen wie wir sie nun mal Tag für Tag wahrnehmen. Das fängt schon bei ganz banalen Dingen wie Farben an. Mischt man blaue und grüne Pigmente im exakten 50 zu 50 Verhältnis und stellt 100 Leute vor diese Farbe, dann wird ein Teil behaupten es sei Blau, der andere wäre fest überzeugt es sei Grün und der Rest wäre überzeugt davon ein Blau-Grün zu erblicken.

Doch wer hat nun Recht? Alle! Ja, wirklich alle. Es gibt kein Falsch. Den ob du mehr Blau oder mehr Grün siehst oder beides in einem ausgewogenen Verhältnis liegt ganz daran in welchem Verhältnis die Rezeptoren für diese Farben in deinen Auge vorliegen und wie dein Gehirn die eingehenden Lichtwellen interpretiert.

Ich denke bis hierher ist das noch leicht nachzuvollziehen. Doch auch in ganz anderen Situationen, die uns Tag für Tag ereilen, tritt dieses Phänomen auf. Stelle dir ein Gespräch unter mehreren Leuten vor. Irgendjemand sagt etwas das dein persönliches Trauma triggert. Sofort geht eine Kaskade an Reaktionen durch deinen Körper und Geist und du fühlst dich in die Vergangenheit zurück geworfen. Deine Wahrnehmungsblase färbt sich mit den Gefühlen und Gedanken dieser vergangenen Erfahrung und plötzlich kommen dir die Tränen und du hast das dringende Bedürfnis die Situation schnellstmöglich zu verlassen. Eine andere Person der Gesprächsgruppe bekundet vielleicht sofort ihr Unverständnis für deine Reaktion. Jetzt fühlst du dich nicht nur miserabel, sondern auch noch angegriffen und wahrscheinlich wirst du dich dazu gedrängt fühlen dich zu rechtfertigen um deine Wahrnehmung zu verteidigen.

Lass es.

Ja richtig, lass es einfach.

Warum fragst du? Weil deine Wahrnehmung richtig ist. DU hast die Situation so wahrgenommen. Wahrnehmung kommt von „für wahr nehmen“ - es ist deine Wahrheit. Es ist in dem Moment deine Realität und niemand, wirklich niemand, hat das Recht darüber zu urteilen. Menschen, die diese Grenze nicht wahren können, können extrem toxisch für jemanden sein, der bemüht ist sich selbst und sein Trauma zu heilen.

Doch noch wichtiger ist: „Nimmst du das, was du wahrnimmst, auch an?“

Oder sitzt in deinem Hinterkopf eine kleine Stimme, die das grade erlebte genauso zunichte redet wie die Person in der imaginären Gesprächsgruppe? Wahrscheinlich letzteres. Mache diese kleine Stimme ausfindig und beginne damit sie jedes Mal zu unterbrechen sollte sie sich zu Wort melden.

Mache dir zwei Dinge immer wieder bewusst:


  1. Nicht jeder Gedanke, den du denkst, ist wahr. Tatsächlich denken wir jeden Tag eine ungeheure Menge an Unsinn. Und nur wenige der gedachten Dinge setzen wir dann auch tatsächlich in die Tat um. Vielleicht hast du einen grässlichen Chef und erwischt dich immer wieder dabei wie du darüber fantasierst ihm eine Szene zu machen und ihm ordentlich die Meinung zu geigen. Vielleicht willst du ihm auch einfach an die Gurgel springen und schütteln wie ein Apfelbaum zur Ernte. Du brauchst dich dafür weder schämen noch selbst im Gedanken zensieren. Stattdessen lasse es einfach zu. Was löst es in dir aus? Fühlst du dich dabei ermächtigt? Befreit? Versuche zu erfühlen welches verschüttete Bedürfnis hinter diesen Gedanken und Fantasien steht. In diesem Fall vielleicht Freiheit? Selbstbestimmtheit? Die Antworten darauf geben dir immer deine Gefühle.

  2. Wir leben alle in unserer Blase und keiner von uns kommt aus ihr raus. Wir können sie erweitern, neue Erfahrungen sammeln, Ansichten ändern, uns in Empathie und Verständnis für anders Denkende und Wahrnehmende üben, doch wir bleiben immer in ihr. Und wie bei einer Seifenblase reflektiert die Innenseite der Blase auch nur unsere eigene Innenwelt. Was andere in dir sehen, dass ist den ihre Sache. Ihre eigene Reflexion in ihrer eigenen Blase.


Ja, das was wir wahrnehmen im Außen ist nur ein Spiegel unseres Inneren. Vielleicht findet nicht jeder gleich einen einfachen Zugang zu diesem spirituellen Konzept. Was nicht verwunderlich ist, denn den Sinn dieser Worte mit dem Verstand zu begreifen ist leicht. Doch die Tragweite dieser Aussage zu begreifen erfordert eigene Erfahrungen.

Deswegen an der Stelle eine kleine Übung und etwas, dass auch sehr gut gegen Depressionen und kreiselnde Gedanken hilft:

Aufräumen.

Manch einer mag jetzt vielleicht lachen. Nur zu.

Doch Tatsache ist, dass unser Denken immer unserem Handeln folgt.

Ich kenne so viele Menschen mit Depressionen oder Traumata und in den meisten Fällen herrscht in den Wohnungen der Betroffenen das gleiche Chaos wie in ihrem Inneren.

Wenn wir uns ganz bewusst dem Aufräumen widmen, dann werden auch unsere Gedanken damit beginnen sich zu ordnen.

Starte den Selbstversuch. Beobachte dein Denken während du aufräumst. Vielleicht kannst du mich ja danach der Lüge bezichtigen, doch selbst wenn, so eine aufgeräumte Wohnung ist doch ein toller Akt der Selbstliebe.

Wichtig ist sich dabei nicht selbst abzulenken.

Ich glaube ich kann hier für alle Betroffenen sprechen, wenn ich sage, dass wir uns alle mehr oder weniger versuchen von unserem Leid abzulenken.

„Ich will doch nur glücklich sein!“

Ja, das wollen wir alle. Ausnahmslos.

Doch leider leben wir im 21. Jahrhundert und nichts war je leichter als sich abzulenken. Ob das Netflix Koma, endloses scrollen auf Social Media, Alkohol, Drogen, Sex....einerlei. Solange es uns von unseren inneren Wunden weg trägt ist es gut genug.

Doch bevor du jetzt voller Enthusiasmus beginnst dir vorzunehmen dich nie wieder abzulenken muss ich dir leider den Wind aus den Segeln nehmen. Das wäre nur der Sprung ins andere Extrem und in gewisser Weise eine Selbstsabotage, die darin endet, dass du dich selbst enttäuschst. Und das wäre nur neuer Nährboden für deine Depression.

Sich abzulenken ist eine mentale Strategie, die jeder von Zeit zu Zeit anwendet. So kompensieren wir den eigenen internen Stress. Sich darüber bewusst zu werden ist ein großer Gewinn. Denn erst, wenn wir uns oft genug selbst dabei erwischt haben wie wir uns ablenken, erwächst der Unmut über die eigenen immer wiederkehrenden Verhaltensweisen. Und dieser Unmut ist gut. Unmut zeigt uns unseren eigenen Mangel auf – den Mut uns aus diesen festgefahrenen Bahnen zu befreien. Und genau diese Energie brauchen wir.

Erst, wenn wir uns so lange beobachtet haben, dass wir so richtig angekotzt von uns selbst sind, dann entwickeln wir die Energie uns da selbst wieder raus zu holen. Solange es ja mit der Depression „irgendwie geht“ wir „irgendwie durch den Tag kommen“ werden wir kaum was ändern. Nicht, weil wir es nicht wollen, sondern weil wir zu sehr daran gewöhnt sind, dass es so läuft. Doch ein klares „Nein, so kann und will ich nicht mehr leben!“ ist wie ein Paukenschlag, der all diese Weichmacher-Gedanken zum verstummen bringt. Ja, da ist es, das wütende bockige Kind, dass auf den Boden stampft, schreit und kreischt und sich mit nichts weniger zufrieden gibt als das, was es wirklich will. Nimm es an die Hand. Es ist dein mächtigster Verbündeter.

Wut ist gut. Wut ist transformierend wie ein Feuer. Stell dir deine Wut wie eine Flamme vor, die du deinem Schatten, deiner Depression entgegen hältst. Du kannst nicht wütend und depressiv zugleich sein. Also sei wütend. Auf dich, auf dein Leben, auf Gott und die Welt. Das ist rohe rote Energie und ja, sie kann destruktiv sein. Beginne damit deine Wut als Werkzeug zu sehen. Als etwas, dass imstande ist all die eingefahrenen Gedanken in dir fort zu brennen. Und jeder weiß, Asche ist ein guter Nährboden für neue Samen, neue Gedanken.

Nein, wir sind keine Opfer unserer Gefühlswelt. Wir können unsere Gefühle bewusst nutzen um Veränderungen in unserem Inneren anzustoßen. Deswegen ist alles, was deine Gefühle für dich wahrnehmbar macht, etwas gutes. Denn oft werden wir taub und gefühllos, wenn wir mitten in einem depressiven Loch stecken. Nichts schmeckt mehr, die Berührungen des Partners auf der eigenen Haut fühlen sich dumpf an, wir scheinen weit weg vom Weltgeschehen zu sein.

Alles, was diesen Schleier zu durchbrechen vermag sollte ein Teil deines neuen Lebens werden. Sei es tanzen, singen, malen, ein Instrument spielen, scharfe Dinge essen, kalt duschen, spazieren, 10 km durch die Stadt rennen bis die Lunge pfeift – ganz egal was, lässt es dich lebendig fühlen, dann ist es genau das richtige für dich.

Es ist wichtig zu verstehen, dass deine Gefühle und dein Körper nicht getrennt voneinander existieren. Genau genommen gibt es da gar keine Unterscheidung. Unsere deutsche Sprache zeigt uns das sogar sehr bildhaft auf. Sind wir verliebt haben wir Schmetterlinge im Bauch, doch sind wir wütend werden wir oft gefragt welche Laus uns über die Leber gelaufen ist. Nicht ohne Grund, denn unsere Leber hat sehr viel mit unserer Wut zu tun und auch wie die Energie in unserem Körper verteilt wird. Liebe geht bekanntlich durch den Magen. Und so weiter...

Neben der Wut, die imstande ist auch tief in der frühen Kindheit verankerte Programme an das Licht des Bewusstseins zu bringen, gibt es eine weitere Emotion, die uns Stück für Stück aus dem Sog der Depression befreien kann: Dankbarkeit.

Wenn wir depressiv sind, dann sind wir selten wirklich dankbar. Wir sagen vielleicht danke, aber wir fühlen es nicht. Meist sagen wir danke, weil wir seit klein auf darauf konditioniert wurden danke zu sagen. Doch das hat nichts mit dem Gefühl Dankbarkeit zu tun.

Dankbarkeit ist ein Gefühl, dass in der Magengrube seinen Anfang nimmt. In unseren Herzraum einströmt und in unserem Gesichtsfeld explodiert.

Ich empfehle sich Abends in der Stille und Abgeschiedenheit hin zu setzen um sich in Dankbarkeit zu üben. Ja genau in der Zeit in der wir am ehesten dazu neigen uns abzulenken.

Die Übung hierfür ist so simpel wie kraftvoll und nicht selten folgt ihr ein Schwall aus reinigenden Tränen.

Mach es dir bequem, schließe die Augen und gehe zu jeder positiven Erinnerung zurück die du hast. Bedanke dich für das Erlebnis, für den oder bei diesem Menschen, für das Geschenk das du erhalten hast, den weisen Ratschlag...ganz gleich, Dankbarkeit kennt keine Grenzen. Mit der Zeit werden es immer mehr Dinge, die dir einfallen und für die du dankbar bist. Später kannst du deine Dankbarkeit auf neutrale Erlebnisse ausweiten, dann vielleicht kleinere negative Ereignisse, dann die größeren...vielleicht übst du dich sogar in Dankbarkeit für Dinge, die noch gar nicht eingetreten sind. Wie gesagt, Dankbarkeit kennt keine Grenzen.

Und wenn wir schon mal bei Alternativen für den allabendlichen Verdrängungsmarathon sind – auch eine ruhige Stunde Yin Yoga am Abend, am besten vor dem Zubettgehen, kann extrem hilfreich sein. Ob du dafür eines der vielen tollen Youtube Videos nutzt oder ganz intuitiv an die Sache heran gehst ist einerlei. Wichtig ist zu verstehen, dass Depressionen keine reine „Kopfsache“ sind. Ja, auch dein Körper ist depressiv, auch er leidet unter diesem Zustand. Genauer gesagt das Zusammenspiel von Nervenenden, Muskeln und Bindegewebe ist gestört.

Vielleicht wurde bei dir sogar schon eine idiopathische Fibromyalgie diagnostiziert.

Kurz gesagt, du hast Schmerzen in deinem Körper, die oft chronisch sind und der Arzt kann beim besten Willen die Ursache dazu nicht finden. Genauso unbefriedigend wie die Diagnose ist meist auch die Behandlung, denn diese beschränkt sich auf die Betäubung der Schmerzen. Mit meist mäßigem Erfolg, einer steigenden Dosis an Schmerzmitteln und keiner ursachenorientierten Heilung. Klar, denn rein physisch betrachtet bist du ja topfit.

Ich persönlich bezeichne es lieber als den „depressiven Rücken“. Denn das Muster an schmerzhaften Verspannungen und Triggerpunkten (Begriff aus der Manual Therapie für den maximalen Schmerzpunkt eines Muskels) ist immer wieder gleich und legt man eine Meridiankarte aus der TCM (Traditionellen chinesischen Medizin) über die vom Patienten angegebenen Stellen, dann wird man feststellen, dass sich diese genau mit den Energiebahnen kreuzen, die mit unserem inneren Antrieb in Zusammenhang gebracht werden: Herz, Nieren und Leber sind immer ganz weit vorn mit dabei.

Für mich kein Zufall.

Vielleicht mag die Vorstellung, dass der visuelle und akustische Teil einer Erinnerung im Gehirn, die dazugehörigen Gefühle aber innerhalb des Körpers abgespeichert werden, neu für dich sein.

Doch auch hier musst du nicht meinen Worten allein vertrauen. Beobachte dich und deinen Körper über einen längeren Zeitraum intensiv, lege dir vielleicht ein kleines Notizbuch an um deine Einsichten festzuhalten. Du wirst feststellen, dass an den Tagen, an denen du dich frei von deiner Depression fühlst auch die Tage sein werden, an denen du die wenigsten Schmerzen in deinem Körper wahrnimmst. Versuch es, mehr als klüger werden kannst du nicht.

Und genau wegen dieser Körper – Geist Verbindung kann Yoga ein so hilfreiches Werkzeug sein. Indem du Yoga nicht nur als Fitnessprogramm siehst, sondern als spirituelle Praxis, wirst du nach und nach verstehen, dass nicht nur dein Körper die Haltung des Kleinkinds oder des Kriegers annimmt, sondern auch dein Geist. Dein Denken, dein Geist, folgt der Handlung.

Du wirst zum Kleinkind. Du wirst zum Krieger.

Und so erlernt nicht nur dein Körper nach und nach die verschiedenen Posen, sondern auch die dahinter befindlichen Geisteshaltungen – oder zustände, wenn dir der Begriff lieber ist. So werden nicht nur die verkrampften, erstarrten und schmerzenden Muskeln wieder „aufgebrochen“ sondern auch die negativen Geisteshaltungen, die immer wieder kehrenden kreisenden depressiven Gedanken, die diesen Zustand erst ausgelöst haben.

Du siehst, du hast sowohl auf mental-emotionaler Ebene, als auch auf der physischen, Möglichkeiten dein eigenes Leid in die Hand zu nehmen.

Eine wichtige Erfahrung möchte ich noch mit dir teilen: du bist kein Opfer.

Du wurdest vielleicht von klein auf so geprägt oder hattest keinerlei Einfluss darauf traumatisiert zu werden, doch du bist kein Opfer. Dich trifft keine Schuld an diesem Umstand. Du musst dich nicht schämen für dein Sein und bei Gott, du bist definitiv nicht handlungsunfähig.

Feier jeden noch so kleinen Erfolg als ob du gerade Gold bei den Olympischen Spielen geholt hättest. Feiere jeden Tag, an dem du dich lebendig fühlst. Sitze an schlechten Tagen mit deinem alten Freund der Depression zusammen. Schiebe ihn nicht weg, das macht ihn nur aufdringlicher. Halte nicht an alten Niederlagen fest. Setze dir kleine Ziele, gönne dir diese kleinen Erfolgserlebnisse.

Wage es von einem glücklichen Leben zu träumen.



Dein Mondkind.

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